Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel und bunte Blätter – es ist Anfang Oktober und Herbstwetter wie im Bilderbuch erwartet mich in Lermoos. Und trotzdem: mir ist etwas mulmig zumute, als ich mein Fahrrad auf die anstehende Tour vorbereite. Die Worte meines Nachbarn klingen in meinen Ohren nach: „Pass auf dich auf! Alleine ist die Tour viel zu gefährlich, es besteht überall Absturzgefahr!“ Auch im Internet kann man sich nicht auf eine Schwierigkeit einigen, es finden sich durchschnittliche Singletrailskala Einstufungen von S1 bis S3. Manche bezeichnen den seit zwei Jahren vom Land Tirol offiziell zum Singletrail für Mountainbiker freigegebenen Weg als flowig und nie wirklich schwierig, andere sprechen von kindskopfgroßen Geröllbrocken der Marke Gardasee, die sich hinter hohen Stufen und in den tiefen Erosionsfurchen verstecken. Na bravo, da hat sich der Durchschnittsbiker ja die perfekte Tour für den Saisonausklang gesucht.

„Pass auf dich auf! Alleine ist die Tour viel zu gefährlich, es besteht Absturzgefahr!“

Das schöne Wetter lässt alle Sorgen aber schnell vergessen sein. Hier auf dem Parkplatz der Grubigsteinbahn baut sich die Zugspitze schon vor mir auf und scheint der einzige Berg weit und breit zu sein, die umliegenden Gipfel blendet man schlicht aus. Sollte die Tiroler Seite von Deutschlands höchstem Berg vielleicht doch seine schönste sein?

Die österreichische Seite der Zugspitze

Touristisch nennt man sich hier „Zugspitz Arena“ und hat neben der Freigabe des Blindsee Trails auch mehrere neue Wege für Mountainbiker wie den Grubigalm Trail in den Hang gebaut. Man könnte fast meinen, dass hier in Tirol, wo selbst auf Forstwegen das Radfahren nicht automatisch erlaubt ist, dringend nach neuen und weniger vom Wintertourismus abhängigen Zielgruppen gesucht wird.

Die Abfahrt will verdient sein

Hoch zur Grubigsteinalm
Hoch zur Grubigsteinalm

Die Tour zum Blindseetrail ist entsprechend auch mit der Bergbahn erreichbar. Aber heute will jeder Höhenmeter erkurbelt und die Abfahrt verdient werden. Also fahren wir durch Lermoos, immer Richtung Grubigstein hinauf.

Die ersten Höhenmeter auf einigen geteerten Serpentinen sind perfekt zum Warmfahren geeignet, nie wird der Weg wirklich steil. Vielmehr lässt der erste Teil der Auffahrt Gelegenheit, das Bergpanorama zu geniessen und Sonnenstrahlen zu tanken. Außer einigen Autos der Bahn- und Skigebietsbetreiber ist hier auch praktisch kein Verkehr. Kurz vor der Mittelstation geht dann die geteerte Straße in einen Forstweg über, welcher Mehrmals die Skiabfahrten kreuzt. Aber keine Sorge, ihr findet euch nie in einer von manch anderem Skigebiet im Sommer bekannten Mondlandschaft wieder und in jeder Verschnaufpause kann man sich  mit dem Ausblick dieser wunderschönen Region belohnen.

Entsprechend vergehen die gerade einmal 700 Höhenmeter bis zum Traileinstieg wie im Flug und ich finde mich schnell am „Bergestaurant Grubigalm“ wieder – Marke Skihütte mit angeschlossenem Après-Ski Sauerstoffzelt. Von der Essensqualität kann ich hier leider nichts berichten, der Durchschnittsbiker hat natürlich genau den Ruhetag erwischt und musste sich mit mitgebrachter Brotzeit für die Abfahrt stärken. Meine Empfehlung, unabhängig ob ihr etwas essen wollt: Biegt vor der Grubigalm links ein paar Meter Richtung Skipiste ein und geniesst die freie Sicht Zentral auf die Zugspitze – es lohnt sich!

Der Ausblick zur Zugspitze von der Grubigalm aus

Von alpiner Trittsicherheit und Schwindelfreiheit

Da ist er also: Nach etwas mehr als einer Stunde erreiche ich den Traileinstieg zum Blindseetrail. Direkt unter dem dem Fernpass Wegweiser erinnert mich ein DAV Schild daran, dass man in den Alpen besser auf unachtsame Ausflüge in die Botanik verzichtet. Die Frage, ob ich mich ein Klettersteig erwartet, ist bereits nach den ersten Kurven wieder vergessen. Es geht entspannt ohne jede technische Anforderung durch einen lichtdurchfluteten Bergwald, das Gelände lädt vielmehr zur ein oder anderen Spielerei ein. Einzige die letzten Höhenmeter, welche in einigen Serpentinen bergauf erklettert werden wollen, lassen meinen Puls hier steigen.

Alpine Trittsicherheit!
Hoch zur Grubigsteinalm

Kaum lichtet sich der Wald ein wenig bekommt auch der Trail zunehmend Temperament. Es wird steiler und steiniger, auf dem Boden liegt immer wieder eine Schicht Geröll und das Rad möchte jetzt fahren dürfen – ein zu vehementes Ziehen an den Bremshebeln würde die Reifen nur dazu bringen, sich zwischen den Steinen einzugraben und die Laufruhe wäre dahin. Immer wieder erinnere ich mich auf diesem Abschnitt des Blindseetrails daran, meine Ellbogen auszufahren und zentral über dem Bike zu stehen. Spätestens an den ersten Stufen ist eine ordentliche Aktivposition dann auch Gold wert, hier liegen die gröbsten Brocken meist genau dort, wo man die Ideallinie vermutet hätte.

Alpine Trittsicherheit!
Hoch zur Grubigsteinalm

Für einige der Absätze brauche ich einen zweiten oder dritten Anlauf – Durschnittsbiker eben. Es bedarf hier und da einiger Überwindung, manchmal trickst mich mein Hirn aus und macht die Stufen im Weg höher, als sie es eigentlich sind. Auf diesen Metern ist der Trail aber auch ein echter Ego Booster: Es läuft immer besser, immer mehr Hindernisse funktionieren auf Anhieb und das Surfen durch das in tiefen, vom Wasser in den Weg gefrästen, Stufen liegende Geröll wird immer gewohnter. Es gilt: Alles hier ist machbar! Naja…fast alles. Das Schiebestück entlang des Wasserfalls sollte wohl überlegt sein, ein Absturz hier hätte fatale Folgen, geht es doch senkrecht Richtung Boden.

Kurven durchzogen von Querrillen
Schiebeabschnitt Blindseetrail

…und dann ist da dieser Ausblick

Der Ausblick auf den Blindsee

Was nun folgt ist mehr als eine Entschädigung für die Schiebestellung: Es ist der wahrscheinlich schönste Ausblick, den ich in meinem bisherigen Mountainbikerleben gesehen habe. Unter mir glitzert der Blindsee in tiefem Türkis, vor ihm erhebt sich die Bergwelt. Passend dazu ist an diesem Aussichtspunkt eine Aussichtsbank, von der ich am liebsten nicht mehr aufstehen würde um das Panorama noch länger genießen zu können. Doch es gilt noch einige Meter Trail unter die Stollen zu nehmen und zu genießen.

Es folgen einige wenige Meter Forststraße bevor das ersehnte Blindseetrail in Hörweite zum Fernpaß die Fortführung dieses Traumtrails verspricht. Hinein in den Wald erwartet mich ein herbstlicher Trail. Die großteils eher einfachen Steine und Wurzeln dieses Abschnitts meistert mein Mondraker Dune dabei souverän, auch wenn den Fahrer langsam etwas die Kräfte verlassen und die Position auf dem Rad zunehmend passiver wird. Hier folgt das nächste optische Highlight genau rechtzeitig: Am Ufer des Blindsees angekommen ist es noch einmal Zeit die Kamera auszupacken und das Alpenpanorama aus einem neuen Blickwinkel zu genießen.

Ufer Blindsee

Der Rückweg führt über Forstwege und kleine Trails nach Lermoos. Genug Zeit, mit breitem Grinsen das Erlebte Revue passieren zu lassen. Für mich war es einer der schönsten Trails die ich bisher erfahren durfte, die Kombination aus technischem Anspruch und Ausblick sucht definitiv seines Gleichen. Gerade aus dem Süden ist die Anfahrt kurz genug für einen Tagesausflug, es muss nicht immer Südtirol sein. Die unterschiedlichen Strecken machen die Region aber auch für ein verlängertes Wochenende interessant, ich komme definitiv bald wieder. Falls ihr euch noch fragt, ob ihr euch die Abfahrt technisch zutrauen sollt: Selbst wenn ihr einmal durch eine Kurve oder über eine Stufe schieben müsst, traut euch und probiert es aus – der Blindseetrail wird euch unvergessliche Eindrücke zurück geben!

Hat euch die erste Story in diesem Blog gefallen? Habt ihr Fragen zum Blindseetrail? Lasst gerne einen Kommentar hier oder werft einen Blick auf Instagram.

Wo geht es lang?

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